Ehe es Clicker Heroes oder Adventure Capitalist gab, gab es Defrag: es war der prototypische Zeitvertreib für gelangweilte oder unzufriedene PC-Spieler. SSDs haben einen hohen Preis.
Viele Jahre lang – vor allem während der Jahre Windows 95 bis XP – war Windows Defrag mein Heilmittel gegen Kater. Nun ja, Heilmittel ist das falsche Wort, aber es war jedenfalls etwas, das ich an Sonntagvormittagen viel zu lange anstarrte, während ich versuchte, mich von meiner Selbstvergiftung abzulenken. Ich startete es und beobachtete, wie Windows versuchte, mein surrendes Systemlaufwerk in Ordnung zu bringen.
Ablenkung. Schmerzstillendes Mittel. Therapie. Erleuchtung.
All diese winzigen Rechtecke, die sich herumbewegen und die Farbe wechseln, geben dem Betrachter ein falsches Gefühl von Fortschritt. Man ist versucht zu glauben, dass nach vielen Stunden dieses Prozesses der eigene PC zu einem Biest wird, das mit Lichtgeschwindigkeit arbeitet, wenn nur all seine Daten effizient angeordnet sind.
Es ist klar, dass ich mich selbst in diesen Prozess hineinprojizierte. Mein mitgenommenes Gehirn, das sich langsam und schmerzhaft wieder aufbaut, um irgendwann den Punkt zu erreichen, an dem es mir möglich sein würde, aufzustehen und in die Küche zu gehen. Das wäre ein Triumph.
Es war eine alberne Sache; eine verrückte Zeitverschwendung, deren Auswirkungen auf meine Festplatte vermutlich eher Placebo als real waren. Aber ich vermisste diesen Vorgang, als ich auf SSDs umstieg (und als die Defragmentierung der größeren magnetischen Laufwerke, die ich für die Speicherung von Dokumenten/Photos/Videos benütze a) nicht mehr besonders notwendig war und b) von Windows ohnehin automatisiert wurde), und ich erkannte erst, als ich mich intensiver mit dem Zahlen-Klicker-Spiel Adventure Capitalist befasste, dass ich ein Jahrzehnt später dieselbe Gewohnheit wieder aufgenommen hatte.
Ja, es ist eine etwas interaktivere Variante, aber ich befand mich in derselben Situation wie mit Defrag – ich wollte die Fortschrittsanzeige fast mit Gewalt dazu zwingen, sich endlich ganz zu füllen, weil ich mich fälschlich davon überzeugt hatte, dass mich am Ende eine tolle Belohnung erwarten würde. Natürlich ist dies nicht der Fall: es geht nur immer weiter.
Sollte es für mich ein Leben nach dem Tod geben, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich dann zusehen werde, wie eine unendliche Festplatte ewig defragmentiert wird.
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